Logo Evangelische Kirche in Essen


Nachrichten

Kinderarmut muss Teil der politischen Agenda bleiben!

Essener Kreissynode tagte in Rüttenscheid

Der Umgang mit Armut, die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Pfarrstellenrahmenkonzeptes und die Verabschiedung der Haushaltspläne für das Jahr 2019 waren Schwerpunkte der Herbstsynode des Kirchenkreises Essen. Das Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Essen kam am Samstag (10. November) im Gemeindezentrum an der Julienstraße in Rüttenscheid zu seiner 22. ordentlichen Tagung zusammen.

Bericht der Superintendentin

Wie üblich wurde die Kreissynode mit einem Abendmahlsgottesdienst eröffnet; die Predigt hielt Pfarrer Johannes Heun aus der Kirchengemeinde Königssteele. Im Anschluss erstattete Superintendentin Marion Greve ihren Bericht über die wichtigsten Ereignisse der zurückliegenden Monate, darunter: Die Konferenz der Ruhrsuperintendenten, die erstmals zusammen mit den Stadt- und Kreisdechanten des Bistums Essen stattfand. Herausragende Veranstaltungen wie die inklusive Tagung „Unsere Meinung zählt! Leben mit Handicap!“ in der Volkshochschule, der Fachtag „Sorgende Gemeinde werden“, der „Friedensgruß der Religionen“ zum Auftakt des NRW-Tages in der Essener Innenstadt, das Arche Noah-Fest auf dem Kennedyplatz und der vierte Teil der kirchenmusikalischen Reihe „Momente der Ewigkeit“. Mehrere besondere Gottesdienste – darunter der Motorradgottesdienst mit Biker-Fest in Katernberg und der WDR-Hörfunkgottesdienst in Bergerhausen. Der Abschied von zwei der drei Gottesdienststätten in der Thomasgemeinde, die aufgrund gesunkener Gemeindegliederzahlen entwidmet werden mussten. Der ökumenische Aufbruch in der Kirchengemeinde Borbeck-Vogelheim, wo die evangelische und die katholische Gemeinde jetzt ein evangelisches Gemeindezentrum gemeinsam für ihre Gottesdienste und gemeindlichen Angebote nutzen. Die gelungene Fortsetzung der jungen Glaubensinitiative „raumschiff.ruhr“. Und nicht zuletzt das ökumenische Friedensgebet in der bis zum letzten Stehplatz gefüllten Marktkirche, mit der am 13. September eine Demonstration für Frieden, Freiheit und Menschenwürde in der Essener Innenstadt begann.

Schwerpunktthema: Umgang mit Armut

Ein inhaltlicher und ernster Schwerpunkt des Berichts war das Thema Armut: Sie ist in Essen immer noch ein viel zu großes Problem und nimmt nach allgemeiner Einschätzung derzeit sogar zu. „Im Ruhrgebiet leben viel zu viele Menschen mit Armutsrisiko“, erklärte die Superintendentin. Am Ende des Vorjahres bezogen 18 Prozent der Essenerinnen und Essener existenzsichernde Leistungen; bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind es sogar 35,5 Prozent – deutlich mehr als im Landesdurchschnitt. „Bei der Kinderarmut verstärken sich die Folgen des Transferbezugs bzw. niedriger Löhne der Eltern, Bildungsbenachteiligung, gesellschaftliche Desintegration und mangelnde Teilhabe, gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine Unterversorgung bei der Erziehung und Betreuung wechselseitig“, beschrieb Marion Greve einen fatalen Kreislauf. Wer in einem Essener Stadtteil mit räumlicher Armutsverdichtung aufwachse, sei von vornherein im Hinblick auf die Schullaufbahn benachteiligt, was sich fast immer problematisch auf den weiteren Lebensweg auswirke – hier müssten Politik und Stadtverwaltung zeitnah entschieden gegensteuern und weiter daran arbeiten, dass sich das soziale Nord-Süd-Gefälle nicht weiter vertiefe. Als gutes Beispiel für einen Schritt in die richtige Richtung nannte die Superintendentin das Programm „Kinderarmut bekämpfen – Teilhabe ermöglichen“ der Stadt Essen, das eine Zusatzförderung von Kindertagesstätten in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf ermögliche; von den insgesamt 92 geförderten Kindertagesstätten in Essen befinden sich 17 in evangelischer Trägerschaft.

Die anschließenden Tischrunden bestätigten diese Einschätzung: Synodale berichten über junge Familien, die das Essensgeld für die Kindertagesstätte nicht aufbringen können, über Kinder, deren Eltern nicht genug Geld für einen Gruppenausflug oder die Teilnahme einer Freizeit haben, über Gemeindeglieder, die auf einen Kühlschrank verzichten müssen. Besonders schlimm ist es, wenn sich Menschen ihrer Armut schämen, sich nicht trauen, nach Unterstützung zu fragen und auch Kinder aus ärmeren Familien einfach wegbleiben. So erfahren Kirchengemeinden eher zufällig davon, dass in einem Haushalt Armut herrscht – Abhilfe könnte ein systematischer Ausbau der der Besuchsdienstarbeit sein, den einige Kirchengemeinden in Angriff nehmen wollen. „Wir müssen als Kirche stärker anwaltschaftlich für arme Menschen tätig sein, uns systematischer mit dieser Problematik auseinandersetzen und auch politischer werden“, heiß es. „Nur auf diese Weise können wir dazu beitragen, dass das Thema Armut nicht von der politischen Agenda verschwindet, wie es derzeit im Land Nordrhein-Westfalen der Fall zu sein scheint.“

Beschluss über das Pfarrstellenrahmenkonzept

Anschließend stand die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Pfarrstellenrahmenkonzeptes auf der Tagesordnung. Die mit der Verabschiedung im Jahr 2009 verbundenen Ziele (Reduzierung auf 54,74 Gemeindepfarrstellen und 10,20 Pfarrstellen innerhalb der funktionalen Dienste bis zum Jahr 2015) konnten im Kirchenkreis Essen vollumfänglich umgesetzt werden, so dass die Zahl der Pfarrstellen auch heute weitestgehend den landeskirchlichen Vorgaben entspricht. Am Samstag beschloss die Kreissynode, das Pfarrstellenrahmenkonzept auch zukünftig als Gestaltungswerkzeug bei der Besetzung von Pfarrstellen zu nutzen. Wichtige Eckpunkte der Vereinbarung:

Weiterhin sollen Einzelpfarrstellen in den Gemeinden ausschließlich mit einem Stellenumfang von 100 Prozent zur Wiederbesetzung freigegeben werden; ein geteilter Dienst ist möglich. An der bestehenden Quotierung – 84,29 Prozent Gemeindepfarrstellen und 15,71 Prozent kreiskirchliche Pfarrstellen im nicht refinanzierten funktionalen Dienst) wird festgehalten. Ebenfalls fortgeschrieben wird der Schlüssel von 3.000 Gemeindegliedern je voller Pfarrstelle. Von der Zahl der Gemeindeglieder je volle Pfarrstelle kann jedoch nach unten abgewichen werden, wenn mit der Besetzung eine „verbindliche und nachhaltige Form der Zusammenarbeit im pfarramtlichen Dienst von mindestens zwei Gemeinden verbunden ist“ – mit dieser Neufassung sollen zusätzliche Anreize für die pfarramtliche Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg geschaffen werden.

Abstimmung über Haushaltspläne 2019

Nach den Punkten „Wahlen zu verschiedenen Gremien des Kirchenkreises“ und „Bericht der Verwaltungsleiterin“ standen Abstimmungen über Jahresabschlüsse und Haushaltspläne auf der Tagesordnung. Mit Blick auf die erwartete Finanzsituation im Jahr 2019 konnte der Vorsitzende des Finanzausschusses, Thomas Caspers-Lagoudis, den Synodalen im Gegensatz zum Vorjahr dieses Mal keine guten Nachrichten überbringen: Das erwartete, geringfügig höhere Kirchensteueraufkommen reicht nicht aus, um die Personalkostensteigerung und die gestiegenen Umlagekosten auszugleichen. Somit muss der Kirchenkreis Essen im Vergleich zum Haushaltsansatz 2018 mit insgesamt 801.900 Euro weniger an frei verfügbaren Mitteln (Haushaltsplan 2018: 25.124.700 Euro, 2019: 24.322.800 Euro) planen.

Nach Abzug des Vorwegabzuges für gemeinsame Aufgaben (z.B. Marktkirche, Reformationsfeier, Presbyteriumswahl) verbleibt eine Verteilsumme von 24.056.500 Euro (2018: 24.850.500 Euro). Daraus stehen den 27 Kirchengemeinden nach einem feststehenden Anteilssatz insgesamt 76,96 Prozent oder 18.513.900 Euro (2018: 19.124.900 Euro) zur Verfügung. Der Kirchenkreis erhält 23,04 Prozent oder 5.542.600 Euro (2018: 5.725.600 Euro). Da die Zahl der Gemeindemitglieder weiter kontinuierlich zurückgeht (31.12. 2016: 141.847 Mitglieder, 31.12.2017: 139.269 Mitglieder), muss sich der Kirchenkreis in den kommenden Jahren zwangsläufig auf deutlich weniger Mittel aus Kirchensteuereinnahmen einstellen. Thomas Caspers-Lagoudis forderte die Kreissynode daher nachdrücklich auf, sich im kommenden Jahr noch intensiver mit Strategien zur Kostensenkung auseinanderzusetzen.

Kirchenkreis will innovtive Projekte fördern

Gleichwohl wird der Kirchenkreis zurzeit noch vorhandene finanzielle Spielräume nutzen, um weiterhin eine Anzahl innovativer Projekte zu fördern – dies machte auch der abschließende Bericht aus dem „Arbeitskreis Zukunft“ deutlich. Für diesen Zweck stehen im Zeitraum von 2018 bis 2020 eine Million Euro zur Verfügung, die der Kirchenkreis bereits im vergangenen Jahr in einen Innovationsfonds eingestellt hat. Initiativen und Gruppen, Gemeinden, Dienste und Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Essen können sich in sechs halbjährlichen Antragsphasen um eine Unterstützung aus diesem Fonds bemühen.

Nach vier Projekten in der ersten Antragsphase hat der Kreissynodalvorstand aus diesem Fonds kürzlich Finanzmittel für fünf weitere Vorhaben bereitgestellt – sie betreffen die Durchführung eines Forums für Gruppen, die anwaltschaftlich tätig sind („Forum Advocacy“), die Einführung einer Mail-Seelsorge bei der Telefonseelsorge, die Einrichtung von Außenarbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung, die Anstellung einer gemeindepädagogischen Fachkraft für die junge Glaubensinitiative „raumschiff.ruhr“ und die Gründung einer „Band in der Region“. Außerdem wird der Kirchenkreis aus regulären Haushaltsmitteln zwei Projektvorhaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit fördern: Die Stärkung der dialogorientierten digitalen Kommunikation und auch der internen Kommunikation innerhalb des Kirchenkreises.

Stichwort: Kreissynode

Die Kreissynode ist das Kirchenparlament des evangelischen Kirchenkreises. Sie ist für Grundsatzentscheidungen über die Zielsetzung, Planung und Durchführung der Arbeit im Kirchenkreis zuständig, kann Arbeitsbereiche aufheben und einrichten und trägt formell die Gesamtverantwortung. Die Essener Kreissynode besteht aus 157 Delegierten, die aus den 27 Kirchengemeinden, Referaten, Diensten und Einrichtungen des Kirchenkreises entsandt werden und zweimal im Jahr zu ordentlichen Tagungen zusammenkommen.

 

 

 

nach oben ▲