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Slamassel feierte 100. Ausgabe

Poetry Slam aus dem Jugendhaus EMO ist in der Szene gut bekannt

Dieser runde Geburtstag wurde anfangs so wenig erwartet, dass Jugendleiter Jürgen Humburg es auch heute immer noch kaum fassen kann: „Slamassel“, der in der Szene weit über Essen hinaus bekannte Poetry Slam aus dem Evangelischen Jugendhaus EMO in Rüttenscheid, hat am Freitag (16.09.) die hundertste Ausgabe gefeiert.

Ihre offizielle Premiere hatte die Reihe am 12. Dezember 2008; Initiatorin und erste Moderatorin war Ruth Reusch, die auch den Titel ersonnen hatte. Viele der Poeten, die seitdem im EMO-Saal aufgetreten sind, haben sich später einen Namen gemacht. Unverändert ist bis heute auch das spezielle Abstimmungssystem geblieben: Eine erhobene Hand steht für einen Punkt, beide Hände bedeuten zwei – wer drei Punkte für einen Vortrag vergeben will, muss (mit tatkräftiger Hilfe) einen Kopfstand machen.

PREMIERE WAR ÜBERRASCHUNGSERFOLG

„Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mein ‚Trendradar‘ damals komplett versagt hat. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas angesagt sein könnte: Vor Publikum Selbstverfasstes vorlesen, als Wettkampf und mit anschließendem Publikums-Voting? Nee, das geht nicht in cool. Deshalb erwartete ich wenig Publikum, deshalb sollte eigentlich die kleinere Kellerbühne Schauplatz für diese Veranstaltung sein“, erinnert sich Jürgen Humburg. Dann kam es anders: „Wir mussten in den Saal umziehen. Der Keller war einfach zu klein.“ Mit Topfpflanze, Schirmlampe und Lichterkette am Mikroständer wehte ein Hauch vom Hippie-Duft der Siebziger durch den Saal. „Die Stimmung war eigentlich fortan immer entsprechend. Herrliche Zeiten.“

Der „Slamassel“ ging also weiter. „Wir hatten einige Leute da, Poeten, die im Laufe der Zeit recht bekannt wurden“, berichtet der Jugendleiter. „Stellvertretend will ich hier einmal Torsten Sträter – er kam bei uns übrigens noch nicht einmal ins Finale... – und Till Reiners nennen.“ Oder René Sydow und seine Frau, die Komponistin und Song-Poetin Fee Badenius. Beide hätten den Organisatoren einmal einen Abend gerettet: „Das Wetter hatte uns just zum ‚Slamassel‘ ein Schneechaos beschert, wir hatten Poeten von Hamburg bis München in der Startliste und natürlich fuhren kein Zug und keine Bahn mehr. Trotzdem war der Saal voll mit gespanntem Publikum – ein Alptraum für jeden Veranstalter“, beschreibt Jürgen Humburg diese unvergessliche Episode. „Nur René Sydow war zu uns durchgekommen. Er fragte, ob ich eine Gitarre im Haus hätte, seine Frau wäre mit ihm da und könne Lieder singen, Fee Badenius. Und ich wusste nicht, wer das war! Schande über mich. Texte und Lieder, ein absolut genialer Abend, völlig unkompliziert und wunderbar, vielen Dank nochmal!“

JEDE AUSGABE WIRD HEUTE LIVE AUF YOUTUBE GESTREAMT

Als Poetry Slam „mainstreamiger“ wurde, kamen auch gerade in Essen einige namhafte Spielstätten und Reihen dazu – das Grend, „Campusslam“, „Krawall und Zärtlichkeit“, Weststadthalle und die Heldenbar – letztere habe schon vor dem EMO mit Poetry Slam angefangen, sei aber jetzt leider dem Rotstift zum Opfer gefallen. „Tolle Locations allesamt, weshalb sich unser ‚Slamassel‘ immer wieder weiterentwickeln musste“, erläutert Jürgen Humburg. „Im Jahr 2010 haben wir deshalb damit angefangen, die Veranstaltungen aufzuzeichnen und immer einige Best-of-Videos in unseren YouTube Kanal zu stellen; zunächst nur mit viel Herzblut und einem wirklich schlechten Equipment.“

Mittlerweile gibt es im EMO-Saal aber eine gute Übertragungs- und Aufnahmetechnik. Seit 2018 werden alle Ausgaben live gestreamt und erfreuen sich einer guten Reichweite; mit seinen vielen Videos und Fotostrecken gehört der YouTube-Kanal des EMO-Jugendhauses (youtube.com/emoINessen) heute zum Gesamtpaket des „Slamassel“. Auch der oben beschriebene legendäre Auftritt von René Sydow und Fee Badenius ist dort dokumentiert („Slamassel 19“).

ONLINE-VERANSTALTUNGEN WÄHREND DER CORONA-KRISE

Als in der Corona-Zeit durch den Lockdown der Jugendhäuser nichts mehr in Präsenz laufen durfte, konnte „Slamassel“ daher auch ohne eine große Vorbereitung als Online-Veranstaltung weiter angeboten werden. Jürgen Humburg: „Anna Ermer, Inke Sommertag, Josephine von Bluetenstaub, Micha-EL Goehre und viele andere Poeten haben aus ihren Wohnzimmern live in mein Essener Domizil gestreamt; dazu Malte Küppers, der aus Duisburg kommentiert hat. Wir hatten echt Glück, dass das so gut funktioniert hat und vom Publikum auch honoriert wurde. Der Internetgott war uns fast immer gnädig, kleine Aussetzer einmal ausgenommen. Auch die sogenannte ‚Homie Edition‘, die während des Corona-Lockdowns entstand, ist auf unserem Kanal zu finden.“

POETEN AUS DEM EMO WURDEN FÜR MEISTERSCHAFTEN NOMINIERT

Die Moderatorinnen und Moderatoren kamen bis 2018 alle aus dem Umfeld des EMO: Ruth Reusch, die Initiatorin des „Slamassel“, Hannah Hübner, Caro und Zerrin Cocuk. Christofer (mit „f“!), Jay Nightwind, Zwerg Riese, Micha-El Goehre, Claas Neumann, Devin Zimmermann und Abdul Kader Chahin ist für ihre Gast-Moderationen zu danken. Danach übernahm Malte Küppers das Zepter als Moderator. „Als wahrhaft prominenter Vertreter des Poetryslams haben wir seitdem eine echte Größe der Szene am Mikrofon unseres Poetry Slam“, freut sich Jürgen Humburg.

Und auch andernorts wurde die erfolgreiche Reihe wahrgenommen: „Durch unsere kontinuierliche Präsenz über viele Jahre hinweg bekamen wir einen Startplatz bei den NRW-Meisterschaften im Poetry Slam, eine große Auszeichnung. Einer unserer Protagonisten durfte für uns teilnehmen; später konnten wir sogar jemanden für die bundesweite Poetry Slam-Meisterschaft nominieren.“ Poeten aus dem EMO waren auf Wettbewerben in Zürich und Wien vertreten.

STICHWORT: POETRY SLAM

Ein Poetry Slam ist ein literarischer Wettbewerb, bei dem selbst verfasste Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vorgetragen werden. Die Zuhörer küren anschließend den Sieger. Die Darbietung wird häufig durch performative Elemente und die bewusste Selbstinszenierung des Vortragenden ergänzt. Der Begriff Poetry Slam wird englisch ausgesprochen; sinngemäß lässt er sich mit „Dichterschlacht“ oder „Dichterwettstreit“ übersetzen. Die Veranstaltungsform entstand 1986 in Chicago und verbreitete sich in den 1990er Jahren weltweit. Die deutschsprachige Poetry Slam-Szene gilt als eine der größten der Welt. 2016 wurden die deutschsprachigen Poetry Slams in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. (Quelle: Wikipedia)

Unser Titelbild zeigt das kultige Abstimmungssystem, das bis heute unverändert geblieben ist: Eine Hand steht für einen Punkt, beide Hände bedeuten zwei - wer drei Punkte für einen Vortrag vergeben will, muss einen Kopfstand machen. Foto: EMO/Jürgen Humburg

 

 

 

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