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Vertrauen - in kritischen Zeiten
Neujahrsempfang mit vielen guten Segenswünschen
(Essen, 30.11.2024) Mit ihrem Neujahrsempfang hat die Evangelische Kirche in Essen am Freitagabend (29.11.) in der Erlöserkirche das neue Kirchenjahr, das am 1. Advent beginnt, begrüßt. Rund 200 Gäste – darunter zahlreiche Repräsentanten aus Politik, Ämtern und Behörden, aus Kirche und Kultur, Diakonie und weiteren Einrichtungen der Wohlfahrtspflege – erlebten, wie Superintendentin Marion Greve, Skriba Silke Althaus und weitere wiedergewählte Mitglieder des Kreissynodalvorstandes für ihre neue Amtszeit gesegnet wurden; drei neugewählte Mitglieder wurden in ihre Ämter eingeführt und die ausscheidenden entpflichtet. Darüber hinaus verabschiedete die Superintendentin zwei Essener Mitglieder der Landessynode.
Zu Beginn des Neujahrsempfangs erinnerte Marion Greve an eine Reihe „segensreicher und seelenvoller Momente“ im zu Ende gehenden Kirchenjahr: „Wir waren als Kirche mutig draußen unterwegs, zuletzt beim grandiosen Hochzeitsfestival auf Zeche Zollverein. Und wir sind zusammen mit anderen eingetreten für die Würde jedes Menschen.“
Die anschließende Segnung der Superintendentin nahm der rheinische Präses Dr. Thorsten Latzel vor. Er freue sich darauf, gemeinsam mit ihr in den nächsten Jahren die Kirche zukunftsoffen zu gestalten, den Glauben zu stärken und Gehilfe der Freude anderer zu sein, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland. Das sei zweifellos eine „wundervolle, aber oft auch anstrengende Aufgabe“. Als Segenszeichen überreichte er der sportbegeisterten Superintendentin deshalb augenzwinkernd einen gelben Handball: „Er möge Sie darin stärken, weiter evangelische Teamführerin hier in Essen zu sein, mit protestantischem Powerplay, ökumenischem Spielwitz und sportlicher Spiritualität.“
VERABSCHIEDUNGEN UND EINFÜHRUNGEN
Bei der anschließenden Entpflichtung dankte Marion Greve den drei aus dem Kreissynodalvorstand ausgeschiedenen Mitgliedern – Pfarrer Markus Söffge (2. Stellv. Skriba), Christian Eckertz (Synodalältester) und Magdalene Sentker (Stellv. Synodalälteste) – für ihren Dienst. Ebenso würdigte sie das Engagement von Ulrike Bauza und Pfarrer Johannes Heun, die nach zwanzig bzw. vier Jahren als Landessynodale verabschiedet wurden.
Mit Segensworten wurden die wiedergewählten Mitglieder des Kreissynodalvorstandes – Pfarrerin Silke Althaus (Skriba), Helga Siemens-Weibring (Synodalälteste), Dirk Stolzenberg (Synodalältester), Prof. Dr. Burkhard Teichgräber (Synodalältester) und Dr. Franziska Schade (Stellv. Synodalälteste) – bedacht und drei neue Mitglieder – Pfarrerin Anne-Berit Fastenrath (2. Stellv. Skriba), Brigitte Castillo Hernández (Stellv. Synodalälteste) und Zoe Stelzner (Stellv. Synodalälteste) – in ihre Ämter eingeführt.
VERTRAUEN - IN KRITISCHEN ZEITEN
Die Predigt hielt Thorsten Latzel über das Thema „Vertrauen – in kritischen Zeiten“. Vertrauen sei der Gradmesser einer offenen Gesellschaft, sagte der leitende Theologe und oberste Repräsentant der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland. Eine Abfolge von Krisen hätte jedoch in den letzten Jahren das Vertrauen in wichtige gesellschaftliche Institutionen erschüttert Euro- und Finanzkrise; Corona-Pandemie; das sinkende Vertrauen in die etablierten Medien, in Kombination mit negativen Auswirkungen der sogenannten sozialen Medien; die Klima-Krise; der Krieg in der Ukraine; die Wahl von US-Präsident Donald Trump, der notorische lüge, andere Menschen diffamiere und demokratische Institutionen systematisch zerstören wolle.
Die Folge sei eine tiefgreifende Vertrauenskrise, die alle gesellschaftlichen Bereiche erfasse, mehr noch: „Die Gefahr ist, dass wir nicht nur das Vertrauen ineinander verlieren, sondern das Vertrauen in das eigene Vertrauen-Können“, so der Präses. Davon seien auch die Religionen und die christliche Kirche nicht ausgenommen. Zwar stehe besonders im Christentum das Vertrauen-Können im Zentrum: In dem leidenden Christus sei Gott ganz an unserer Seite, der Glaube an Gottes Führung sei ein „tiefer Anker des Vertrauens“ und rein theologisch gebe es weder für Fatalismus noch für Pessimismus eine Rechtfertigung. Gemeinden, Diakonie, Jugendarbeit, Chöre, Gottesdienste mit ihren Kollekten, Fürbitten und das Abendmahl seien „Orte, an denen Menschen empirisch wahrnehmbar einüben, zu vertrauen.“
Doch auch die Kirche scheitere immer wieder an ihrem Anspruch, ein Raum, eine Gemeinschaft zu sein, in der man „das Vertrauen ins Vertrauen lernt, weil man dort Gott begegnet“. Als Gründe nannte der Präses Selbstgenügsamkeit und religiöse Selbstüberhöhung, die Abschottung gegenüber dem Leid anderer, die Vergessenheit gegenüber den Mitgeschöpfen und sexualisierte Gewalt.
WAS WIR TUN KÖNNEN
„Was können wir also tun, um Vertrauen zurückzugewinnen, wieder zu stärken?“ fragte der Präses am Ende seiner Predigt und gab den Gästen als Antwort „fünf offene Impulse“ mit auf den Weg:
-- „Lebe so, dass es ohne Gott keinen Sinn ergibt und andere danach fragen, was dich leitet... Vertrauen entsteht in der Begegnung mit Menschen, die Rückgrat zeigen und in all ihrer Gebrochenheit versuchen, aufrecht zu gehen.“
-- „Handle getreu und vertraue Gott… getreu, das heißt: transparent, verlässlich, uneigennützig, offen für Kritik, nach bestem Wissen und Gewissen… Gott wird es zu einem guten Ziel führen.“
-- „Wir brauchen mehr Begegnung, den Mut, über die Grenzen hinweg zu sehen und auf andere zuzugehen… und das nicht nur beim Open-Air-Gottesdienst an Himmelfahrt.“
-- „Wir brauchen eine Haltung der Offenheit, in der wir uns auf andere wirklich einlassen… wir dürfen niemanden ausschließen, niemanden verloren geben.“
-- „Und du sollst ein Segen sein: Das ist Auftrag und Verheißung, die Gott dem Abraham gibt und durch ihn an uns. Wer sich darum bemüht, zum Wohle der Allgemeinheit zu handeln, dem wird Gott seinen Segen nicht versagen – und dann werden andere daraus Vertrauen schöpfen können.“
Er wisse nicht, ob sich damit dem institutionellen Vertrauensverlust insgesamt begegnen lasse. „Aber ich bin überzeugt, dass es eine tiefe Ausstrahlung hat, wenn wir den Mut aufbringen, so zu leben: als Kinder des Lichts, als Erstgeborene der neuen Schöpfung, als Gesegnete, die andern zum Segen werden“, schloss der Präses.
DANK FÜR DIE GUTE ZUSAMMENARBEIT
Oberbürgermeister Thomas Kufen dankte den Kirchen in seinem Grußwort für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und den Beitrag, den sie zum sozialen Frieden in der Stadt leisteten; das Fürbittengebet sprach er mit der Superintendentin im Wechsel. Für die musikalische Gestaltung des Neujahrsempfangs sorgte der Chor „gospel&more“ der Erlöserkirchengemeinde Holsterhausen unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Stephan Peller; die Orgel spielte Kreiskantor Thomas Rudolph. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher nutzten im Anschluss bei einem Imbiss des Diakonie-Restaurants Church die Gelegenheit zu Begegnungen und Gesprächen.