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Gott hat keinen festen Wohnsitz

Reformationsfeier fragte nach dem Raum für Hoffnung in dieser Zeit

Unter dem Motto „Raum für Hoffnung“ stand die diesjährige Essener Reformationsfeier – in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kreuzeskirche erlebten die Gäste einen stimmungsvollen Gottesdienst mit kraftvollen und auch sehr nachdenklichen Worten und Tönen.

Wo bieten wir Raum für Hoffnung, an welchen Orten geben wir sie an die Menschen weiter? Inmitten aktueller Herausforderungen – Pandemie, Klimawandel, Ukraine-Krieg – und innerer Krisen – viele Menschen wenden sich von den Kirchen ab – gestaltet sich die Suche nach Hoffnungsräumen mitunter schwierig. Gleichwohl zählt das Ziel, der Hoffnung „immer wieder neuen Raum zu geben“, auch heute zu unseren wichtigsten Aufgaben. Doch wie können wir ihn uns heute vorstellen, den Raum, in dem unsere Hoffnung ihre Kraft entfaltet, einen Raum, in dem Gott wohnt? Oder, wie es Pfarrer Alexander Maurer, Schulreferent für Essen, Mülheim und Oberhausen, im ersten von drei Predigtimpulsen ausdrückte: „Hat Gott überhaupt einen festen Wohnsitz? Und, wenn ja, welcher Gott wohnt dort? Wenn wir es denn ahnen, wenn wir es denn wissen, was fangen wir mit ihm an? Was wird aus uns in der Begegnung mit ihm?"

BRAUCHT GOTT EINEN FESTEN WOHNSITZ?

Grundlage der Predigtimpulse war die Lesung aus 1. Könige 8, die von Sprecherin Christel Lueb-Pietron in einer nacherzählten Fassung lebendig wurde: Nach einer feierlichen Prozession findet die Bundeslade, ein Kasten, in dem die Zehn Gebote aufbewahrt wurden, ihren Platz in einem Tempel, den König Salomo erbauen ließ. Sollte Gott aber wirklich auf Erden, hier, in diesem Raum wohnen?

„Der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, wie sollte es dann dieses Haus tun, das ich gebaut habe“, betet Salomo. Was die Menschen stattdessen erwarten können, wenn sie es betreten, erklärt der König so: „Herr, mein Gott, lass deine Augen offen stehen über diesem Haus Tag und Nacht, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein… Lass deine Augen offen für das Flehen deines Volkes, dass du sie hörst, sooft sie dich anrufen.“

ALEXANDER MAURER: GOTT IN DEN KÖPFEN UND HERZEN

Eine klare, schöne Botschaft – doch so einfach ist es nicht, wie Alexander Maurer deutlich machte. Zwar hätten die Menschen damals ein Zuhause für die Bundeslade errichtet, einen Raum für die Hoffnung, dass Gott den Menschen gnädig ist – doch war sie zugleich auch ein Kriegssymbol und wurde in gnadenlosen Feldzügen vorangetragen: „Gott ist bei uns, damit wir die anderen besiegen.“ Ganz ähnlich das Kreuz: Wir haben ihm Häuser gebaut; ursprünglich ein Folterzeichen, steht es für Trost und Versöhnung – doch auch für „Gott mit uns, das Kreuz ganz vorne im Krieg. Und das geht so durch die Menschheitsgeschichte bis heute, die evangelische, katholische, orthodoxe… Ich denke gerade auch in diesen Tagen: Lasst sie bloß drin, damit sie nicht schon wieder missbraucht werden, unsere Gebote und unser Kreuz…“

Wo also soll der Raum für Hoffnung heute entstehen, soll Gott wohnen, bei all diesen Erfahrungen? „Die Zehn Gebote, das Kreuz, solche Sätze, solche Wahrheiten, solche Geschichte und solche Zeichen, sie brauchen in unseren Herzen und Köpfen einen Platz, an dem sie überdauern, die schlechten Erfahrungen überstehen, die wir im Leben draußen auch machen“, machte Alexander Maurer deutlich. Zu diesem Zuhause gehöre auch, sich immer wieder zu fragen, „was eigentlich drin steckt in dieser Kiste mit den Zehn Geboten, was gut ist und was Gott mit uns vorhat“.

ANNE-BERIT FASTENRATH: EIN ZIMMER FÜR GOTT

Ihr „Zuhause für Gott“ richtete Pfarrerin Anne-Berit Fastenrath aus der Emmaus-Gemeinde im zweiten Predigtimpuls ein: „Stell dir mal vor, du hättest ein ganzes Zimmer übrig... Ein ganzes Zimmer, aus dem kein begehbarer Kleiderschrank werden soll und auch kein Gästezimmer, sondern ein Raum nur für Gott. Und natürlich für dich. Denn Gott braucht keinen Raum, in dem du dich nicht auch wohlfühlst.“ Nach und nach richtete sie ihn ein, füllte ihn mit Farbe, Möbeln, Gegenständen. Ein ganzes Zimmer für Gott! Oder lieber doch nicht? Weil sich Gott gar nicht hinter einer Tür finden lässt?

Anstatt Gott in seinem Zimmer mal eben zu besuchen (oder auch nicht), sollten wir „lieber dem Zufall auf die Sprünge helfen und unsere gewohnten Räume verlassen“, fand Anne-Berit Fastenrath: „Das machen wir, wenn wir Gottesdienste draußen feiern, Seelsorge-Bänke aufstellen, mit Coffee-Bikes durch die Stadt radeln und ganz zufällig mit den Menschen ins Gespräch kommen oder als Kirche auf Hochzeitsmessen vertreten sind… Wir tun das, weil es unser Auftrag ist. Wir sollen raus, Jesus hat uns geschickt.“ Dies tue allen gut: den Menschen, die draußen lockerer, befreiter sein könnten, und der Kirche, die neu und anders wahrgenommen werde: „Weil die Menschen merken, dass es bei uns doch auch Formen und Worte gibt, in denen sie Gott finden können. Und sich selbst. Und eine andere Wirklichkeit, die sie stärkt, während sie dieses Leben bestreiten. Hoffnung auf so vielen Ebenen.

Unsere Räume, die brauche Gott nicht, er habe keinen festen Wohnsitz, schloss Anne-Berit Fastenrath ihren Impuls: „Wenn Gott etwas braucht, dann Kontakt zu uns, und der kann überall entstehen. Draußen oder drinnen. Auf dem Marktplatz oder auf Kirchenbänken. Im geheizten Gemeindesaal oder in ungemütlicher Kälte. Es darf da anders sein als dort. Nur versprechen sollten wir draußen nichts, was wir drinnen nicht halten können.“

CHRISTIAN HÜNDLINGS: GOTT FINDEN IM SEELSORGLICHEN GESPRÄCH

Auch für Christian Hündlings hat Gott keinen festen Wohnsitz. Während des Corona-Lockdowns, als es schwierig war, trotz vieler kreativer und digitaler Angebote alle Menschen zu erreichen, hat der Presbyter aus der Kirchengemeinde Kettwig sich dafür entschieden, den Kurs „Lebensspuren begleiten“ zu besuchen: Die innovative Ausbildung der Evangelischen Kirche in Essen vermittelt Ehrenamtlichen professionelle Kompetenzen in Seelsorge, die sie im Anschluss in verschiedenen kirchlichen Arbeitsbereichen einsetzen können.

Den Ort, wo Gott wohnt, findet er am Krankenbett in einer Reha-Klinik ebenso wie in einem Netzwerk von Menschen, die in der Gemeinde seelsorglich unterwegs sind. „Ich wünsche mir eine Kirche, die Menschen begleitet, deren Seele in Not ist. Eine aufsuchende Kirche. Am Krankenbett, im Seniorenheim, beim Hausbesuch, am Telefon, auf der Seelsorge-Bank vor der Marktkirche. Überall“, sagte Christian Hündlings. „Im seelsorglichen Gespräch können wir das Gefühl vermitteln: Wer du auch bis, was du auch erlebst, was du auch durchmachst: Wir sind für dich da!“ Kirche sei dort, wo wir „einander auf unseren Wegen begleiten und der Hoffnung Raum geben".

LANGANHALTENDER APPLAUS

Die liturgische Leitung des Gottesdienstes hatte Assessorin Monika Kindsgrab. Auch die künstlerische Gestaltung erhielt am Ende langanhaltenden Applaus: Für die Musik hatte der Kirchenkreis Essen die BE Sound-Band des Bistums Essen (Leitung: Pop-Kantorin Lina Wittemeier) und das Vokalensemble Vollklang (Leitung und Orgel: Kreiskantor Thomas Rudolph) gewinnen können. Im Anschluss bot ein Abend der Begegnung die Möglichkeit, im schönen Kirchsaal der Kreuzeskirche noch ein wenig zusammenzubleiben und die Gelegenheit für inspirierende Gespräche zu nutzen – ein Angebot, das gerne wahrgenommen wurde. Mit einem Imbiss sorgte das Restaurant Church der Diakonie in bewährter Weise für das leibliche Wohl.

KOLLEKTE

Im Diakoniezentrum Mitte in der Lindenallee bietet das Diakoniewerk Essen vielfältige Hilfeleistungen für wohnungslose und gefährdete Menschen an. Über 500 Menschen ohne festen Wohnsitz haben dort ihre Postanschrift, um etwa für Behörden erreichbar zu sein und Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können. Auch die Sozialen Dienste, die Hilfen zum selbstständigen Wohnen und die Essener Kleiderkammer arbeiten vom Diakoniezentrum aus für Menschen in der ganzen Stadt.

Mit Ihrer Kollekte tragen Sie dazu bei, dass wohnungslose Frauen und Männer das Diakoniezentrum in der Innenstadt als einen „Hoffnungsraum“ erfahren. Vielen Dank!

MITWIRKENDE

Liturgische Leitung: Assessorin Monika Kindsgrab | Predigtimpulse: Pfarrerin Anne-Berit Fastenrath, Presbyter Christian Hündlings und Pfarrer Alexander Maurer | Sprecherin: Christel Lueb-Pietron --- BE-Sound-Band: Larissa Kotzwander (Gesang), Grigorio Mangano (Trompete), Andreas Reinhard (Bass), Nils Bloch (Schlagzeug), Stefan Glaser (E-Piano), Lina Wittemeier (Leitung, Keyboard) --- Vokalensemble Vollklang: Sabine Juchem, Sara Bodemann (Sopran), Ines Niehaus, Inga Kappen (Alt), Tom Boller, Sascha Mücke (Tenor), Hagen Goar Bornmann, Fabian Gsell (Bass). --- Musikalische Leitung, Orgel: Kreiskantor Thomas Rudolph --- Technik: Petra Schwertfeger (Licht), Holger Schwertfeger (Ton) --- Catering für den Abend der Begegnung: Restaurant Church

Hinweis: Die drei Predigtimpulse veröffentlichen wir in den nächsten Tagen im Wortlaut in unserem Blog auf www.himmelrauschen.de.

Foto: Unser Titelbild zeigt v.li.n.re. Skriba Silke Althaus, Assessorin Monika Kindsgrab, Pfarrer Alexander Maurer, Pfarrerin Anne-Berit Fastenrath, Christian Hündlings und Superintendentin Marion Greve.

 

 

 

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